Anfänge
geschrieben von Ramona
Der Impro-Spieler sagt: fang einfach an.
Egal womit. Hauptsache, du fängst an. Verschwende deine Zeit nicht mit Abwägen, tu einfach den ersten Schritt. Du musst eine ganz bestimmte Arbeit schreiben? Lass facebook aus und tippe den ersten Satz. Du träumst von einer Beziehung? Erhebe dich vom Sofa und geh in eine Bar. Du willst eine Impro-Szene in einer Kirche spielen? Sink auf Deine Knie. Oder küsse die Braut oder sag „Liebe Gemeinde“. Ganz egal wie und wo, fang einfach an.
Einfach bedeutet auch einfach im Sinne von klar wesentlich, fast schon radikal. Je einfacher die Ausgangssituation ist, umso komplexer kann das Spiel danach werden. Für dreifache Saltos braucht man einen undramatischen sicheren Absprung. Einfach zu sein ist viel schwerer als es kompliziert zu machen. Man muss dafür entscheiden können, was das Überflüssige ist und was das Wesentliche. Das ist sehr individuell und man muss regelmäßig trainieren, um zu erkennen: was ist wichtig in der Geschichte, im Leben, für mich? Beim Versuch, Anfänge einfach zu gestalten, also „leer“ auf die Bühne zu gehen und zu schauen, was von selber kommt, liefert man sich dem eigenen Innenleben voll aus und es hilft, sich darin auszukennen. Man erfährt natürlich auch viel darüber, wenn man es immer wieder praktiziert. Lawrenz Krauss ist amerikanischer Kosmologe und erforscht den Anfang aller Anfänge, den Urknall. Er hat (sinngemäß) geschrieben, dass sich der Volksmund irrt, wenn er sagt „Von nichts kommt nichts“, dass es vielmehr auf die Definition des Nichts ankommt. Und beim Impro, wo wir mit Nichts auf die Bühne gehen, lernen wir, dass Nichts ne ganze Menge ist.
Einfach anfangen bedeutet auch, dass man es sich selber einfach macht, leicht. Denn dann kommen Spaß und Lust. Und dann ist alles einfach. Deshalb sagt der Impro-Spieler: Fang positiv an. Das kann ein verliebter Augenaufschlag sein, wenn die Bäckersfrau ihren Kuchen einpackt oder ihre Freude daran, wie das Brot duftet… Dabei kann sie auch „negativ“ ihre Nase direkt ins Brot bohren, zu langsam arbeiten oder alles selber aufessen… Sie kann sogar in einer vollends „negativen“ Situation sein: am Rande des Ruins stecken, weil sie nicht backen kann, übel riecht oder ihre Kunden selbst zu Mehl verarbeitet… so lange sie als Spielerin positiv und verspielt damit umgeht, wird sie und damit die Geschichte im Fluss bleiben. Wenn man negativ guckt, bleibt man immer außen und guckt von da AUF die Spielsituation. Das macht den Blick enger. Wenn man positiv auf etwas blickt, ist die Abwehr weg und man lässt sich sofort involvieren. Das öffnet die Pforten zur eigenen Kreativität und die Spielmöglichkeiten werden unendlich. Eine abwehrende Haltung führt zum Stillstand, eine positive lässt es immer weiter gehen. Und das ist es ja, worum es bei Anfängen geht: Sie sind nur der Anfang, es wird nicht so bleiben, es wird immer weiter gehen. Man weiß nur noch nicht wie.
In diesem Sinne: einen positiven und einfachen Jahresanfang!